Hermann Broch:
ZERLINE
im Programm der Literaturnhalle „Gier nach Leben“
Die Leidenschaft des Salon5 nach der Begegnung mit großen „Abwesenden“ (Autoren) führt diesmal zu Hermann Broch. An einem Doppelabend wird die legendäre Figur der Magd Zerline – durch die Darstellung Jeanne Moreaus 1986 in Paris auch zu Bühnenweltruhm gelangt – in der LiteraTurnhalle 2013 neu umkreist und interpretiert.
Wieder erscheinen die Archetypen einer „Welt von gestern“ als ZeitgenossInnen.
Trailer
Teil I
Der verlorene Sohn, ein atmosphärisches Vorspiel
In Brochs Roman „Die Schuldlosen“ tritt das Stubenmädchen Zerline in mehreren Kapiteln auf. Im „Verlorenen Sohn“ erscheint sie zunächst am Rand des Geschehens im zerstreuten Blick eines reichen, jungen Holländers, der im Haus der geheimnisvollen Familie W. zur Untermiete wohnt und Einrichtung und Psyche seiner Bewohner studiert. Allmählich häufen sich die Zeichen, dass Zerline hier die heimliche Herrscherin ist…
gelesen von: Gioia Osthoff, Martin Schwanda
Texteinrichtung: Karl Baratta
Teil II
Die Magd Zerline
eine Arbeit von Schauspiel- und Regiestudierenden des Max Reinhardt Seminars, neu inszeniert für den Salon5
Hannah Arendt bezeichnet diese Erzählung als die vielleicht schönste Liebesgeschichte der deutschen Literatur. Anders, als die im unklaren lebende Herrschaft, lässt sich Zerline zu einem leidenschaftlichen Monolog hinreißen, der die familiären Geheimnisse offenlegt. Sie berichtet von ihren Strategien, die das Schicksal der Familie bestimmten, das heißt, von ihrem teils in der Phantasie, teils in der Realität spielenden intensiven Liebesleben: Sogar der engelhaft reine Baron, ihre große Liebe, habe sie einstens an den Brüsten gepackt. Auch sei sie dem Liebhaber der Baronin, einem mondänen Teufel, verfallen und sei mit ihm fertig geworden. Ihr ganz persönlicher Gerechtigkeitssinn, ihre Beobachtungsgabe und ihre Liebe sind so stark, dass ihr niemand widerstehen kann.
mit: Marlena Keil
Regie: Matthias Rippert
Pressestimmen
«Marlena Keil überzeugt auf allen Ebenen, ihre unterschiedlichen Körperlichkeiten beeindrucken wie ihr vielschichtiges Spiel. Und trotz aller Tragik bleibt auch noch ein wenig Platz für Komik. Mit einfachen Mitteln [..] wird hier alles herausgeholt, was diese doch recht klassische Erzählung zu bieten hat.» (Kurier – zur Rezension)
«Mit „Zerline“ steht noch bis 27.11. ein Abend auf dem Programm, der all das bietet, was gutes Theater bieten soll. Einen interessanten Stoff, eine anregende Regie- und Bühnengestaltung sowie herausragende Schauspielerinnen und Schauspieler. [..] Wer dem Zauber dieses Abends nicht vollends erliegt, der sollte in Zukunft das Theater per se meiden. Wer sich aber in eine andere Zeit, eine andere Welt und in eine andere Seele davontragen lassen möchte, dem sei diese Produktion dringend und wärmstens empfohlen.» (European Cultural News – zur Rezension)
Über den Autor
Hermann Broch war einer der produktivsten und bedeutendsten österreichischen Autoren, aber auch ein immer wieder vergessener. 1886 geboren, studierte er Textiltechnik und Textilmaschinenbau, um danach die väterliche Textilfabrik bei Wien zu leiten. Broch konvertierte vom Judentum zum Katholizismus. Nach dem Verkauf der Fabrik 1927 studierte er Mathematik, Philosophie und Physik in Wien und wurde danach freier Schriftsteller. Nach dem Anschluss 1938 emigrierte er in die USA, wo Thomas Mann und Albert Einstein zu seinen Freunden zählten. Neben seinen großen und umfangreichen Prosa-Werken „Die Schlafwandler“ und „Der Tod des Vergil“ schrieb Broch eine Reihe theoretischer Abhandlungen über Literatur, Politik und Philosophie. Sein Opus Magnum bildet der Roman „Die Schuldlosen“. Eine der darin enhaltenen 11 Erzählungen ist die legendäre „Geschichte der Magd Zerline“. Hermann Broch starb 1951 in New Haven.